Kurban-Shaid | Ein alter Palast wird Nationalsymbol

Neue Mauern um eine antike Trümmerstätte. Foto: Karsten Schöne

2. Kurban-Shaid | Ein alter Palast wird Nationalsymbol

Kann das sein? Ein Neubau, der aussieht wie vor 800 Jahren? Die neuen Mauern stehen da, damit die Besucher nicht achtlos an den alten, unscheinbaren vorbeifahren. Nichts erinnerte an die große Vergangenheit Kurban-Shaids, gäbe es nicht diese Zitadelle, die wie eine Fata Morgana neben der Straße auftaucht. Die moderne Kulisse umschließt eine bedeutende historische Fundstätte. Vom 9. bis 13. Jahrhundert residierten hier lokale Herrscher, die die Region kontrollierten. Zu dieser Zeit hieß der Ort Khulbuk – man hat Stuckornamente von zwei Palastbauten gefunden, kostbare Gläser, Silbermünzen - man weiß auch, dass die Herrscher von Khulbuk das Schachfiguren mit Elfenbeinfiguren liebten, und braucht man nicht viel Fantasie, um sich ihre Kurtisanen vorzustellen, die Aprikosen verzehrend, die hier überall wachsen. Die Quelle des Reichtums war die Seidenstraße, die hier vorbeiführte. Kamelkarawanen zogen vorbei, die den Wasserreichtum der Gegend für sich nutzen.
Wer heute durch das Tor der wiedererrichteten Außenmauer tritt, findet nichts mehr von diesem Luxus. Er steht in einem staubigen, hügeligen Innenhof, wo die letzten Ziegel zu Lehm zerfallen.

Man braucht Experten, um das Unsichtbare sichtbar zu machen. Eine russische Archäologin, die hier forscht, erklärt uns die neuesten Funde: die tönerne Wasserleitung, das Fragment einer Keramikschüssel mit eleganter Kalligrafie, deren Inschrift einst Gäste erfreuen sollte. „Dort“, sagt sie, und deutet ins Nichts, „dort lag die  Empfangshalle. Und dort der Festsaal. Sehen Sie den kleinen Kellerraum, mit der Nische für die Lampen? Eine Umkleide- und Souffleurkabine für die höfischen Vergnügungen.“ Den Geldschein, den wir ihr anbieten, lehnt sie ab. Unser Interesse ist ihr Lohn. Die neuen Mauern müssten wir nicht anschauen, sagt sie, lieber die alten: „Das Neue ist Sache der Regierung.“ Mit Kultur wird heute überall in Tadschikistan Politik gemacht. Die politische Botschaft ist dabei wichtiger als die historische Substanz. Überall im Land lässt Rachmon historisierende Bauten und Denkmäler aus Glasfaser-Kunststoff errichten, zur Ehre der Samaniden-Dynastie, die von 813 bis 1005 regierte. Sie dienen der Legitimation seiner Präsidentschaft. In Khulbuk sind die archäologischen Befunde der jüngeren Bauphase durch die Rekonstruktionsarbeiten erheblich beschädigt.

 

 

 0  1 [ 2 ]  3  4  5  6  7  8  9  10