Taboschar| Stalins geheime Atom-Stadt

Wachturm des alten Armeelagers in der Uranmine von Taboschar. Foto: Karsten Schöne

10. Taboschar| Stalins geheime Atom-Stadt

Seit den 1930er Jahren wurde in Taboschar Uran abgebaut – Material für das sowjetische Atomprogramm. Uns reizt die Vergangenheit der Stadt. Deutsche Kriegsgefangene sollen diese Häuser erbaut  haben, von Stalin vertriebene Wolgadeutsche lebten hier, die jetzt alle ausgewandert sind. Kriegsspiele begleiten unsere Fahrt. Zwei Jets überfliegen das Gelände, ein Funkenregen fällt auf uns herab. In weiter Entfernung wächst eine Detonationswolke in den Himmel – der Einschlag einer Luft-Boden-Rakete. Neben der Straße parken vier Kampfhubschrauber. Postenketten sichern das Gelände. Das Ganze ist Teil eines Manövers, an dem Truppen Russlands, Chinas, Kasachstans, Kirgistans und Tadschikistans teilnehmen. In Taboschar steht die Zeit seltsam still. Die Häuser sind gealtert, aber vollständig erhalten. Sie haben neue Bewohner. Wer war hier früher zu Haus? Hat er meine Sprache gesprochen? Auf Windfahnen stehen Jahreszahlen. 1947. 1948. Das Kino ist verlassen. Auf dem Friedhof finden wir deutsche Gräber neben muslimischen Gräbern, dazu orthodoxe Kreuze aus Maschinenteilen, Aluminium-Obelisken mit Sowjetstern.  Ein alter Mann will uns die aufgegebene Mine zeigen, in der er früher gearbeitet hat.

Es sind keine zwei Kilometer von der Stadt bis in dieses Niemandsland. Am Eingang eines verlassenen Armeelagers begrüßen uns patriotische Mosaike und dürre Wachtürme. Schilder, die vor der Strahlung warnen. Es gibt gelbbraune Abraumhalden hier, auf denen keine Pflanze wächst. Windböen fegen durch sie hindurch. Wir haben Angst. Was dann geschieht, können wir kaum glauben: Der Mann, der uns geführt hat, wohnt auf dem Gelände der Mine! Er hat hier gebaut. Wir verabschieden uns, spülen den Mund mit Mineralwasser aus. Am Abend sind wir glücklich, in sicherer Entfernung unsere Unterkunft wiederzusehen – ein altes Kindererholungsheim direkt am Ufer des Kairakkum-Stausee, der hier 1956 durch einen Dammbau entstand. Heute betreibt der Staat die Anlage – für Polizeiangestellte. Die meisten Häuser sind verfallen, aber Gäste, die 20 Dollar pro Tag zahlen, bekommen hier Räume mit Fernseher und Kühlschrank, dazu beste Vollpension. Jetzt die Treppe zum See heruntergeklettert! Am Kairakkum, dem tadschikischen Meer kann man herrlich baden. Im Schnitt es nur acht Meter tief. Aber die Illusion ist perfekt.

 

 

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